ende
Horst Bredekamp
Prof. Dr. Horst Bredekamp

ZUM WERK VON BIRGIT BRINKMANN

Die als Bildhauerin an der Städelschule von Frankfurt am Main bei Thomas Bayrle ausgebildete Künstlerin Birgit Brinkmann verfügt sowohl über die Fähigkeit, sich mit kleinen, vermeintlich unscheinbaren Gestaltungen zu beschäftigen wie auch größere Dimensionen zu bewältigen. Ein eigener Bereich ihres Werkes bezieht sich auf die genaue Beobachtung von Gegenständen, die in ihrer Beschaffenheit und Funktionalität definiert zu sein scheinen, unter ihren Händen aber surreale Eigenschaften entfalten, die in hohem Maße irritieren, in ihrem Spielcharakter erfreuen und immer neu den Wirklichkeitssinn testen. Hierzu gehören Hundepodeste, Unterwasserstelzen und Spazierstöcke, deren Spitzen in Bällen transformiert, die nicht etwa Halt bieten, sondern das Gelände testen. Metaphorisch gilt dies für alle ihre dadaistischen Gebrauchsgegenstände: sie dienen nicht dem Stützen, sondern dem Sensibilitätsgewinn.

Das Werk von Birgit Brinkmann hat in der Bildhauerei ihren Kern, geht in ihren Installationen und auch ihren flächigen Gestaltungen weit über diese Gattung hinaus. Ihre zweidimensionalen, dabei aber immer wieder auch räumlich durchschichteten Arbeiten wie ihre Ensembles von Acrylglas, zeugen in ihrem Montagecharakter neben vielfältigen Bezügen insbesondere von Reminiszenzen an die Fotografiegeschichte, so an die Serien der Fördertürme von Bernd und Hilla Becher, an die Seascapes von Hiroshi Sugimoto oder auch an die Sandwellen des Nordseestrandes von Alfred Ehrhardt. Diese verbinden sich mit Zügen der japanischen Ästhetik und damit einer besonderen Reflexion der Vergänglichkeit. Indem sie mit der Jahreszeit des Herbstes zu verbinden sind, schließen sie die Fülle der Natur und der Formen ein.

Räumlich gestaffelte Glasarbeiten nehmen dieses Prinzip als perspektivische Montagen auf, die dem jeweiligen Gesamtbild den Charakter einer inneren Bewegung vermitteln. Von besonderer Feinheit sind die Arbeiten mit Stoffen, welche die Naturformen filigraner Geäste überschichten oder zweidimensional zusammenfügen. Hierin liegt das Motto für die Arbeiten auch in anderen Materialien. Von den Risslinien poröser Erden über das Geäst blattloser Bäume und Sträucher und die Spiralen von Kabeln bis hin zu den Skeletten technischer Bauten stellt sich die Künstlerin der umfassenden Frage nach der Form. Birgit Brinkmanns Landschaften zeigen schließlich historische Distanzen, ohne in eine denunzierende Gestik des Verfalls zu geraten. Es sind Erinnerungsbilder, die tiefer reichen als es die Verklärung der Vergangenheit ermöglichen würde.

In all seinen Aspekten folgt das Werk der Künstlerin der Suche nach Gemeinsamkeiten natürlicher und künstlicher Gestaltformen. Hieraus entwickelt es eine eindrucksvolle eigene Art künstlerischer Phänomenologie, welche den Engführungen gegebener Bedeutungen widersteht.