In den Arbeiten von Birgit Brinkmann konkretisieren und versichern sich Entdeckungen nicht allein im Verfertigen von Artefakten. Diese faszinieren zwar auch für sich genommen auf vielfältige Weise; einige durch groteske Widersprüchlichkeit zwischen Materialität und Funktion oder durch ihre schieren Dimensionen, andere durch ausnehmend ästhetische, visuell wie haptisch erfassbare Formen und wieder andere durch äußerst originelle, mitunter skurrile Verfremdungen vertrauter Objekte. Alle legen Zeugnis ab von der hohen handwerklichen Kompetenz. Wären diese Objekte in einem Raum versammelt, er ähnelte einer Wunderkammer oder dem Requisitenlager eines Schauspielhauses, das sich absurdem Theater verschrieben hat:
Ein monströser, aus Styroporverpackungen im Maßstab 1:1 gefertigter Fahrlader (2017), wie er untertags in Bergwerken zum Abräumen von Schutthalden eingesetzt wird. Eine flinke, ebenfalls aus Styropor gebaute Ape (Piaggio 2015), die fleißige Biene, die in Italien allgegenwärtige dreirädrige Lieferantin, einsitzige kühn geschwungene Fahrzeugkabinen, gehörnte Sitzbälle auf Kufen, Stelzen für Tauchgänge und zum Fliegen, vornehme Spazierstöcke, die auf Bällen gleiten, kunstvoll genähte Plastikhandschuhe zum Fische fangen, ein Eisschrank aus grauem, geschliffenen Beton, Podeste aus gelenkig verbundenen Styroporplatten, die sich zu kleinen Gebirgen fügen lassen, transparente Masken, die den Blick verzerren, tropfende Skulpturen aus grellfarbigem Speiseeis, hochhackige Damenschuhpodeste, bizarre Transporthelme zum Lastentragen, ein Ensemble riesiger, wunderbar gegossener sanft geschwungener Vasen, mehrsitzige Bänke, deren futuristische, ausgeklügelte Formen die Nutzer zueinander in verschiedene Beziehungen setzen und schließlich ein raumfüllendes Wandrelief aus organisch anmutenden Elementen. Die Vasen, Sitzmöbel und das Relief könnten für sich stehen als eigenständige, ästhetisch anspruchsvolle Skulpturen, die losgelöst von funktionellen Konnotationen aufeinander verweisen in ihrer homogenen und unverwechselbaren Formensprache.
Die meisten der Objekte Birgit Brinkmanns bedürfen der Einbettung in eine strukturierte Umgebung, in eine vorgefundene Wirklichkeit, um sich voll entfalten zu können, um das zu bewirken, was nur Kunst bewirken kann: Sinnlich erfahrbar zu machen, was in rationaler Sprache nur schwer, wenn überhaupt zu vermitteln ist, etwas erkennbar zu machen, wofür es noch keine Worte gibt. Erst in der Beziehung zu einer ausgewählten Umwelt findet das von ihr erdachte Artefakt in seine Rolle als Wegweiser, als Katalysator für Entdeckungen – Entdeckungen, welche die Wahrnehmung des Artefakts samt seiner Umgebungswelt nachhaltig und oft auf überraschende Weise verändern.
Und manche der von Birgit Brinkmann konstruierten Objekte erlangen ihre Bedeutung erst, wenn sie andere Menschen zu Aktionen einladen. Diese eröffnen dann unverhofft neue Blicke auf scheinbar Wohlvertrautes. Wer sich auf Birgit Brinkmanns Aktionen einlässt und ihnen mit Humor begegnet, eignet sich, meist unbewusst ihre Gedankenwelt an, in der sich Realität und Utopie auf mitunter witzig ironische Weise vereinen.
Birgit Brinkmanns Kunst ist nicht allein für Ausstellungsräume bestimmt. Selbst Photographien und Filme können nicht vermitteln, was erlebt werden muss. Birgit Brinkmanns Arbeitsweise ist eine Lebenswelt und ihre Kunst unabdingbar mit der fliehenden Zeit verbunden.
Deshalb sind Neugier und Vollendung und essenziell für den kreativen Prozess und die Interaktion mit den Arbeiten Birgit Brinkmanns. Und wann immer Zweifel an der Sinnhaftigkeit aufkommen, da helfen Witz, Humor und Ironie, da helfen das Bekenntnis zur Vergänglichkeit und die flüchtige Freude am Entdecken. Wer dieser Strategie zur Daseinsbewältigung etwas abgewinnen kann, wird in diesem Buch über Birgit Brinkmanns Entdeckungsreisen fündig werden.