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Schildkrötenspaziergang auf dem Trottoire

Daumenkino

Die meisten Menschen glauben, Schildkröten seien langsam und träge. Auf Fotografien oder Illustrationen erscheinen sie immer behäbig: Die schuppigen, zu kurzen Beine und der viel zu schwere Panzer. Ein Vorurteil, dass der Schildkröte nicht gerecht wird. Zwar kann sie stundenlang reglos an einem Ort verharren, bei Minustemperaturen sogar monatelang. Wenn sie aber wegwill, dann geht das fix.

Die Domestizierung von Schildkröten gelingt für gewöhnlich nicht einmal ansatzweise. Kuscheltiere sind sie nicht. So gut den beiden Schildkröten auch zugeredet wird, ihr Sozialverhalten lässt sich nicht im Mindesten beeinflussen. Diese Wesen folgen eigenen Regeln und das macht sie so interessant: ihre autarke Ignoranz gegenüber unserer Moderne wirkt so archaisch wie das Tier selbst.

Kann man mit Schildkröten spazieren gehen? In Deutschland besteht bislang keine Leinenpflicht für Schildkröten an öffentlichen Orten. Offenbar gelten sie als ungefährlich und wenig angriffslustig. Also sollen sie ohne Leine spazieren, aber nicht verloren gehen. Die Lösung ist, sie mit Helium gefüllten Luftballons auszurüsten, die, mit Schnüren am Panzer befestigt, über ihnen schweben. Der schwere, ellipsoide Panzer am Boden, gespiegelt im luftigen Ovoid des Ballons. Über die schwebenden Landmarken lässt sich verfolgen, wie die Tiere ihre Freiheit nutzen. Für Beobachter sieht das aus, als liefe jemand Ballons hinterher, die sich seltsam eigenwillig bewegen. Das tänzelnde Spiel der Ballons steht in unerwartetem Kontrast zu den erstaunlich zügigen Erkundungsgängen durch das Unterholz. Spaziergänge mit Unzähmbaren sind eine Wonne, erfordern aber Umsicht. Deshalb werden hin und wieder Schildkrötenkonturen auf die Straße gesprüht, so als würden sie einen Körperabdruck hinterlassen. Dieses Signal, mit grüner Sprühkreide aufgetragen, soll Autofahrer motivieren, auch für Schildkröten zu bremsen.